I. Ausgangssituation
Die letzte Bundeswaldinventur (BWI³) und auch die erste Landeswaldinventur (LWI¹) haben für das Land Brandenburg massive, nicht tolerierbare Verbiss- und Schälschäden ausgewiesen. Das
Schadensniveau liegt innerhalb der Bundesländer zusammen mit Mecklenburg-Vorpommern an oberster Stelle. Der Nachhaltigkeitsrat des Landes Brandenburg hat diese Situation in einem Positionspapier
ebenfalls attestiert. Ursache dafür sind nicht eingeregelte Schalenwildbestände, deren Strecken von Jahr zu Jahr steigen und damit auch die ungebremste Bestandesentwicklung widerspiegeln.
II. Wildbiologie
Eine Reihe von Wildbiologen, die meistens aus dem Bereich der Veterinärmedizin stammen, weisen darauf hin, dass sich ab der Wintersonnenwende der Magen-Darm-Trakt bei verbeißendem und
wiederkäuendem Schalenwild auf die Winterruhe einstellt. Einhergehen sollte damit eine rücksichtsvolle bzw. geringe störende jagdliche Aktivität. Unter natürlichen Verhältnissen jagt das
Großraubwild gerade in dieser Zeit auf Schalenwild, das im Rahmen seiner Koevolution mit dem Großraubwild darauf angepasst ist. Diese Art des Jagens ist mit kurzfristigen drückjagdartigen
Aktivitäten vergleichbar.
III. Abwägung zwischen Magen-Darm-Trakt und Waldzustand
Bei der Abwägung verschiedener Ziele rangiert das Einregulieren der Schalenwildbestände zur Erreichung klimaplastischer zukunftsfähiger Wälder deutlich vor seinem Schutz. Erst wenn die
Schalenwildbestände einreguliert sind, ist zu prüfen, ob auf die Jagdzeit im Januar verzichtet werden kann. Die letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass die notwendigen Strecken ohne
Jagdaktivitäten im Januar nicht zu erreichen sind.
IV. Bejagungskonzept ÖJV
Die Monate Dezember und insbesondere Januar sind Hauptjagdzeiten mit hervorragenden Streckenergebnissen auf wiederkäuendes Schalenwild. Berücksichtigt man ein erhöhtes Ruhebedürfnis dieser
Wildtiere im Winter, so ist zu beachten, dass bei gleicher Strecke Bewegungsjagden weniger Unruhe für das Wild verursachen als die Einzeljagd. Allein aus dem spezifischen Verhalten von
wiederkäuendem Schalenwild im Winter ist Einzeljagd nur mit einer permanenten und penetranten Präsenz vor Ort durchführbar, die das Verhalten des Schalenwildes nachhaltig und waldschädlich
verändert. Ein bis zwei Bewegungsjagden pro Fläche sind deshalb natürlicher und dem evolutionären Verhaltensmuster des Schalenwildes zuträglicher. Zwingend erforderlich ist in diesem Zusammenhang
eine entsprechende Angleichung der Jagdzeiten beim Rehwild.
Bewegungsjagden können bei entsprechenden Temperaturen deutlich unter 10° minus und/oder hoher, verharschter Schneedecke ausgesetzt werden. Oberstes Ziel muss die Erreichung der
gesellschaftspolitischen Vorgaben für die Bewirtschaftung der Wälder sein. Unterziele können Oberziele nicht aushebeln, so dass die vermeintliche Winterruhe nicht über die Entwicklung von Wäldern
gestellt werden darf.
Stand Februar 2016