Von Eckhard Fuhr
Ein persönliches Wort zu Beginn: Ohne Ulrich Wotschikowsky wäre mein Leben anders verlaufen. Ich traf ihn zum ersten Mal vor ziemlich genau 25 Jahren bei den Recherchen zu meinem ersten Artikel über die Rückkehr der Wölfe in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Seitdem war das Gespräch nie abgerissen. Aus einem professionellen Kontakt wurde Freundschaft. Wir haben zusammen gejagt, vor allem aber haben wir über die Jagd, über Wildtiere, über Naturkonzepte in unserer Gesellschaft gesprochen. Mir als Kulturjournalisten öffnete das ganz neue Perspektiven. Ohne „Wotsch“, so nannten ihn seine Freunde, wären Jagd, Wildtiere und insbesondere die Wölfe nie zu den Lebensthemen geworden, die sie längst sind. Wenige Tage vor seinem Tod besuchte ich Ulrich Wotschikowsky noch einmal im Klinikum in Garmisch. Vom Tod gezeichnet war er völlig gelassen und frohen Mutes. Ein Leben ohne Wildtiere, sagte er einmal, wäre armselig. „Wotsch“ hat ein reiches Leben geführt, bis zur letzten Minute.
Geboren wurde er 1940 in der Nähe von Cottbus, also dort, wo 60 Jahre später die Rückkehr der Wölfe nach Deutschland begann. Als Kind kam er mit seinen Eltern nach Bayern. Die Bergwelt
Hohenschwangaus prägte seinen Blick auf die Natur. Doch in dem Waldläufer schlummerte auch ein Künstler. Wotsch spielte die Geige mehr als amateurhaft. Am Ende behielt der Naturmensch aber doch
die Oberhand über den Musiker. Nach einem Studium der Forstwissenschaften, das ihn auch in die nordischen Wälder Schwedens führte, trat er in den bayerischen Forstdienst ein und wurde 1973
stellvertretender Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald. Er war allerdings nicht der Typ für eine Karriere im Öffentlichen Dienst und beharrte im Streit über die Entwicklung des Parks auf
seiner Position, dass Naturschutz unbedingt Vorrang vor touristischen Überlegungen haben müsse. 1978 schied er aus dem Staatsdienst aus, arbeitete als Redakteur bei einer Jagdzeitschrift und seit
den Achtzigerjahren als Wildbiologe, zunächst als Mitglied der Wildbiologischen Gesellschaft München e.V., schließlich ganz freiberuflich. Heute sind freiberufliche Wildbiologen
und wildbiologische Beratungsbüros nichts Besonderes mehr. Wotschikowsky war in Deutschland einer der Pioniere dieses Berufszweiges.
Die Nachfrage nach wildbiologischer Expertise schnellte mit der Rückkehr der großen Beutegreifer Wolf, Luchs und Bär in die Höhe. Managementpläne mussten geschrieben, Naturschutz- und
Jagdbehörden beraten werden. Wotschikowsky, der auch im kanadischen Yukon über Wölfe und ihre Beutetiere forschte, erwarb sich den Ruf eines führenden Experten auf diesem Gebiet. Die
Wolfsmanagementpläne der deutschen Bundesländer tragen seine Handschrift. Ulrich Wotschikowsky hinterlässt eine große Lücke, er hat aber auch den Boden dafür bereitet, dass auch in Deutschland
das Wildtiermanagement heute auf einer breiten professionellen Basis ruht. Ulrich Wotschikowsky starb am 30. August 2019 nach schwerer Krankheit.
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